"Unterschätze niemals die Linie!" 140 x 140 cm, Acryl, Graphit, Kohle, Kreide auf Leinwand, 2014
Foto: Thomas Häntzschel/Nordlicht



FORM und FARBE sind die beiden Grundlegenden Mittel der Malerei. Man schafft eine Form und gibt ihr eine Farbe. Diesen Vorgang wiederholt man nach belieben und entwickelt mit der Zeit eine Komposition. Große Flächen stehen neben kleinen Flächen, leuchtende Farben neben weniger leuchtenden. Die Komposition, die nun entstanden ist, widerspiegelt die Intention des Malers … so einfach ist das!
Vor allem ungegenständlich arbeitende Maler erleben seit geraumer Zeit jedoch ein seltsames Phänomen. In einigen Fällen, und es sei angemerkt, dass hier eine beträchtliche Dunkelziffer zu vermuten ist, gelangt die Komposition im Verlauf des Schaffens des Künstlers an einen Punkt, an dem die Formen dank ihrer komplexen Anordnung, beginnen, nicht mehr den Intentionen des Malers zu folgen. Die Formen werden dann zu eigensinnigen aber geselligen und aufmerksamen Kollegen, die sich austauschen und in zunehmenden Maße auf Selbstbestimmung drängen. Sie erlangen ein Eigenleben, eine Existenz, die Ihnen die Macht verleiht, über Ihr Erscheinungsbild selbst zu bestimmen.
Beispielsweise nehmen es große, mächtige Gefüge nicht länger hin, von unbedeutenden Linien behelligt zu werden. Sie verlangen Zurückhaltung des Gegenüber und pochen auf ihre territoriale Integrität. Demgegenüber wollen eher unbedeutende kleine Gruppen am Rande mehr Mitspracherecht und einen gefestigten Platz in der „formalen“ Gesellschaft. So entsteht ein Zusammenleben, dass dem unseren immer ähnlicher wird. Eines, das geprägt ist durch feste Strukturen, durch Veränderungen und Kompromisse ... hin zu einer komplexen Gesellschaft.
Das klingt fortschrittlich und wünschenswert, birgt allerdings ein großes Problem. Diese gestalterische Emanzipation treibt zahllose Maler an den Rand der Verzweiflung und führt dazu, dass die, in vielen Ausstellungen beliebte Frage: “Was will uns der Künstler damit sagen?“, immer öfter nur mit: „Ich weiß es nicht! Frag doch die Formen!“ beantwortet werden muss.
Vielleicht aber, so die Hoffnung vieler Maler, muss diese Entwicklung zwangsläufig dazu führen, dass die Betrachter der Bilder nun verstärkt dazu gezwungen sind, sich mit der Frage zu beschäftigen:“Was sagt MIR das Bild eigentlich?“ In diesem Fall würden es die Maler danken. Ihnen wird dann nicht mehr allzu oft bewusst, dass sie eigentlich nur pinselführende Handlanger einer aufstrebenden Formen- und Farbengesellschaft sind.

Felix Fugenzahn 2014



"Das schafft ihr nie!" 140 x 140 cm, Acryl, Graphit, Kohle, Kreide auf Leinwand, 2014




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