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Eine kurze gegenständliche Phase vor über 10 Jahren. Schnell ging sie jedoch wieder vorbei. Der Fotoblick wich meinem eigentlich vordringlichen Drang, selbst Realitäten zu schaffen. In ihnen ist unvergleichbar viel mehr Raum für die scheibar unbedeutenden aber auch um die bedeutenden Dinge des Lebens, um die es hier geht, z.B. nicht nur um ein paar Schuhe. Vincent Van Gogh’s „Schuhe mit Schnürsenkeln“ erzählen dem modernen mitteleuropäischen Menschen von einer unbekannten Welt. „Aus der dunklen Öffnung des ausgetretenen Inwendigen des Schuhzeugs starrt die Mühsal der Arbeitsschritte […], die Zähigkeit des langsamen Ganges durch die weithin gestreckten und immer gleichen Furchen des Ackers, über dem ein rauher Wind steht […].“ Sie erzählen von dem „Bangen um die Sicherheit des Brotes“ und von der „Freude des Wiederbestehens der Not“. (Zitat: Martin Heidegger: Der Ursprung des Kunstwerks, S. 26ff.)
Ein einfaches Paar Schuhe repräsentiert das mühselige und strebsame Leben einer ganzen Gesellschaft. Doch wonach streben wir heute und wer erzählt davon?
Über die Sicherheit unseres Brotes machen wir uns im täglichen Leben keine Gedanken mehr. Unsere Gesellschaft ist spezialisiert und strebt nach Effizienz. Jedes Element muss funktionieren, Leistung ist gefragt, Pünktlichkeit vorausgesetzt und Krankheit ein schwerer Fehler. Der Broterwerb ist nur ein abstrakter Begriff. Die Zeit, es zu essen ist mit eingeschaltetem Telefon verfügbar.
Die uns umgebende Welt ist leistungssaugender Raum, die in ihr Lebenden fordernde Konkurrenten.
Doch diesen Raum als solchen wahrzunehmen, ist zu viel geworden. Das Ticken der Wanduhr ist lästig, der Fugenzahn am Straßenrand ist Unkraut, der Kaffee nur die Möglichkeit zur Leistungssteigerung.
Der Kaffebecher, der Teekessel, die Steckdose, das Pissoir, … erzählen von Auszeiten aus dieser Welt.
Sie erzählen von Zwischenmomenten, von der Besinnung auf ein Paar Schuhe als Botschafter zwischen gesellschaftlicher Bedeutsamkeit unseres Tuns und den viel bedeutsameren Augenblicken des Ichs, von Momenten in denen die Bedeutung des Alltäglichen gegenwärtig wird und sich Zufriedenheit einstellt.
Die Malereien plakatieren die Relativität der Bedeutsamkeit und sollen die Blickrichtung der Menschen verändern hin zu Nebensächlichkeiten als Zeichen scheinbar einfacher Augenblicke, die doch aber die Besonderen sind. Augenblicke einer vergessenen infantilen Sichtweise auf die Dinge – ein verträumtes Starren in einem Moment zwischen der Erfüllung der Aufgabe und einem Augenblick des Ichs.
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